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Die sadistische Aufseherin von Obernheide

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Brinkum - (sie) Zwei neue Biografien über Kommandant Johann Hille sowie Gertrud Heise, SS-Aufseherin des Arbeitslagers Obernheide, präsentierten gestern die Brinkumer KGS-Schüler Marcel Schramm und Marc Böhm. Sie hatten dafür monatelang recherchiert und unter anderem beim Bundesarchiv in Koblenz und Archiven in Freiburg sowie Berlin um Material gebeten – und auch erhalten.

Die beiden angehenden Abiturienten des zwölften Jahrgangs werteten im Rahmen einer 180 Seiten umfassenden Seminararbeit im Fach „Werte und Normen“ bei Ilse Zelle die Prozessakten des britischen Militärgerichtes in Celle aus. Vor diesem Gericht mussten sich beide Täter nach Kriegsende verantworten. „Johann Hille wurde freigesprochen“, fanden die 18-jährigen Schüler heraus, während Gertrud Heise sich in einem umfangreichen Strafprozess nicht nur für ihre Taten in Obernheide, sondern auch in anderen Konzentrationslagern verantworten musste. Sie wurde zu einer Gefängnisstrafe von 15 Jahren verurteilt. Sie musste allerdings nur zehn Jahre absitzen.

Die beiden Schüler beschreiben die 1921 geborene SS-Aufseherin Gertrud Heise als eine sehr dominante und herrschsüchtige Frau, die willkürlich die Lagerfrauen mit Gürteln und Peitschen geschlagen und mit Tritten traktiert sowie ihnen das Essen versagt hatte.

Die von Ilse Zelle als hübsch beschriebene Blondine mit langen Haaren hatte im Alter von 21 Jahren die Ausbildung als Lageraufseherin in Ravensbrück begonnen. Über die Stationen Majdanek, Krakau-Plaschkau und Auschwitz kam sie 1944 schließlich nach Obernheide, einem Außenlager von Bergen-Belsen, in dem bis zu 800 Frauen untergebracht waren.

Dagegen hatten im Prozess die Zeuginnen dem Kommandanten von Obernheide ein gutes Zeugnis ausgestellt. „Er war mild“, hieß es. Der Kaufmann Johann Hille wurde 1890 in Tellingstedt geboren und trat 1929 in die NSDAP ein. Nach seinem zwischenzeitlichen Austritt erfolgte 1932 der Wiedereintritt. Als Kommandant von Obernheide habe er die Frauen sogar vor der brutalen SS-Aufseherin so gut es ging geschützt, war aus den Akten herauszulesen, berichteten die Schüler. Ein weiteres Beispiel: Nachdem eine Frau ein Baby geboren hatte, erreichte es Johann Hille, dass die Mutter ihr Kind behalten konnte, bis ihr die SS das Kind entriss und später tötete.

Nach dem Prozess verlor sich die Spur von Hille. „Von der SS-Aufseherin ist uns nur bekannt, dass sie 1970 in Hamburg gewohnt hat“, ergänzten die Schüler. Marcel Schramm und Marc Böhm wollen in der 13. Klasse herausfinden, ob es Nachkommen gibt, die sie befragen können. „Vielleicht lebt ja Gertrud Heise noch. Wir würden sie gerne befragen, wie sie die Zeit und ihre Taten aus heutiger Sicht bewertet.“ Die Schüler interessieren sich aber auch für Kinder von Johann Hille – und ob diese etwas über seine Zeit in Obernheide erfahren haben.

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