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AUTOMOBILE Goldene Finger

Wird »der Beste« überflügelt? BMW möchte mit seinem neuen »7er«-Modell, dem luxuriösesten Großserien-BMW aller Zeiten, endlich das tiefsitzende Daimler-Trauma überwinden. *
aus DER SPIEGEL 37/1986
Dieser Beitrag stammt aus dem SPIEGEL-Archiv. Warum ist das wichtig?

Sieben Jahre lang haben die Ingenieure daran gearbeitet. Weit über anderthalb Milliarden Mark Entwicklungskosten wurden verbuttert. In dieser Woche kommt das Resultat zum erstenmal auf die Straße - ein 32 Zentner schweres, rasendes Elektronik-Orchester, gegen das sich der teuerste Mercedes ausnimmt, als konkurriere die Bayerische Staatsoper mit der Stuttgart-Untertürkheimer Blasmusik. Die Autotester der Fachpresse griffen augenblicklich in ihre Harfen.

»Siebenschön« nannte »auto, motor und sport« verzückt den brandneuen »7er« von BMW und befand: »Mit einem Mal zeigt die Modell-Strategie von BMW die gleiche Angriffslust, die vielen Fahrern dieser Marke traditionell eigen ist.«

BMW-Chef Eberhard von Kuenheim hatte seinen heranreifenden Neuling schon vor Jahr und Tag als künftigen Klassenbesten im Feld der Luxuskraftwagen angekündigt. Gewiß wird das

4,91 Meter lange, elegante Sechszylinderauto zu neuen Höchstpreisen (57000 Mark für den 184 PS starken »730 i« mit Dreilitermotor, 69000 Mark für den »735 i« mit 3,5-Liter-Motor und 211 PS) auf dem Markt erfolgreicher sein als sein Vorgänger, von dessen technischen Eigenheiten, wie Entwicklungschef Wolfgang Reitzle beteuert, »absolut nichts« übernommen wurde.

Eines wurde doch übernommen: die BMW-Niere als Markenzeichen an der Stirn, nun am flachen und windschlüpfiger gestalteten Neuling zu einer fast quadratischen Schrumpfniere verformt.

Weniger Niere - dafür mehr Technik. Mehr als zwei Kilometer Kabel-Geäder, laut BMW ein Weltrekord, verbinden ein System von Sensoren, Mikroprozessoren, elektrischen und hydraulischen Helfern. Was da regelt und überwacht, assistiert und informiert, kümmert sich in schier verwirrender Fülle um nahezu alles - vom Sitzkomfort bis zum sicheren Fahren, auch wenn die Antriebsräder auf rutschiger Fahrbahn durchdrehen wollen. Sie dürfen nicht.

Allein zehn Stellmotoren, dirigiert von einem Computer, sorgen in einer neuartigen Klima-Automatik für frühlingshaft laue Frischluft im Innenraum - eine von mehreren Neuheiten, die BMW dem neuen Luxusauto mit auf den Weg gibt.

Über nahezu acht Millionen »Erprobungs-Kilometer« - eine von BMW noch nie vorher unternommene Anstrengung - haben die Techniker ihr Auto und seine Systeme »auf allen Kontinenten und in allen Klimazonen« getestet. »Es gibt nichts Schlimmeres«, gestand ein Entwicklungsingenieur von BMW, »als wenn sich beim Serienanlauf Probleme mit Ausfällen einstellen«, so wie es die Münchner Autoproduzenten schon mal, zuletzt mit ihrem 3er, erlebt haben. Diesmal wäre es besonders schlimm.

Denn mit dem neuen 7er-Auto unternimmt BMW den zweiten Versuch, seinem Dauer-Rivalen davonzufahren, der den Markt der schweren Luxusklasse beherrscht, und dessen Aktienkurs mehr als doppelt so hoch steht wie der von BMW. Schon 1977, als sich BMW zum erstenmal mit einer 7er-Limousine vorwagte, hatte Mercedes-Benz den Vorstoß mühelos pariert. Letztes Jahr verkaufte BMW im Bundesgebiet nur 7343 Exemplare des alten 7er-Modells, die Daimler-Benz AG dagegen dreimal so viele - 23753 Wagen in der S-Klasse.

Mehr noch: Die Stuttgarter gingen in einem anderen Marktbereich zum Gegenangriff über und brachen mit ihrem neuen Kompaktwagen Mercedes-Benz 190 tief in die Domäne der Münchner 3er ein. Wieder einmal rächte sich, daß BMW mit Investitionen für die Entwicklung geknausert hatte.

Den bayrischen Autoproduzenten macht ein tiefsitzendes Daimler-Trauma ohnehin seit langem zu schaffen: Bei einem beliebigen BMW-Kraftwagen tritt schon im ersten Betriebsjahr eine weit nachhaltigere Minderung seines Wiederverkaufswertes ein als bei Mercedes - der Markt signalisiert, daß beim BMW ein spürbar früherer Vitalitätsverlust, mithin auch eine geringere Lebensdauer befürchtet wird.

Ein Anflug von Minderwertigkeitskomplex schien demnach mitzuschwingen, als BMW-Ingenieure nun die Eigenschaften ihres neuen 7er-Modells erläuterten. Sie messen alles an der Stuttgarter Konkurrenz, wo sie es doch so gern umgekehrt sähen. Beschwörend fast verwies ein BMW-Manager bei dem ganz und gar nicht riesig wirkenden neuen Modell auf dessen Innenmaße: »Alle, alle, wirklich alle Maße sind größer als bei Mercedes!«

Mit dem Glanz stolzer Väter in den Augen verwiesen die Münchner am 7er auf manchen ersten Rang im Wettstreit der Techniker. »Wir haben die steifste Karosserie des Weltmarktes, noch 63 Prozent besser als beim alten Typ«, beteuerten sie, und auch: »Wir sind die besten im Licht« - neuartige »Ellipsoid-Scheinwerfer« mit einem wie beim Diaprojektor wirkenden Linsensystem sollen eine um 30 Prozent höhere Lichtausbeute garantieren.

Ohne Einschränkung setzten die BMW-Ingenieure auf den Bordcomputer, dessen Anzeigen sich der Fahrer über Fingerhebel am Lenkrad zusätzlich auf einen Mini-Bildschirm ins Blickfeld holen kann; damit haben sich die Bayern bewußt abgesetzt von ihren Mercedes-Konkurrenten, die den Bordcomputer skeptisch beurteilen ("Je mehr Warnanzeigen, um so größer der Verdacht, daß etwas ausfällt").

Dafür liegt das Fahrverhalten des neuen BMW ganz auf der Linie der vor vier Jahren von den Untertürkheimern entdeckten neuen Sportlichkeit, wie sie der kleine, leichte MB 190 verkörpert. BMW-Reitzles 1600 Kilogramm wiegender 7er führt sich dabei keineswegs als Schwergewicht auf, sondern als vergnüglich zu fahrendes Leichtfuß Auto.

Eine ideale Gewichtsverteilung von 50 zu 50 je Achse, aber auch besondere Radführungen und kunstvolle Abstimmungen sind für diese Eigenschaften vor allem verantwortlich. Anspielend auf ein Raumlenkerachse genanntes Hinterachsgefüge bei Mercedes-Benz, meinte ein BMW-Ingenieur trotzig: »Wir haben schon seit 1982 eine Raumlenker-Hinterachse, aber wir haben es nur nie gesagt.«

Zum neuen Fahrgefühl trägt überdies bei, daß dank einer speziellen Vorderachs-Kinematik die Bremsleistung des 7er doppelt so hoch geriet wie seine Antriebsleistung. BMW: »Wir haben, mit einem Durchmesser von 300 Millimetern, die größten Bremsscheiben von allen.« So konnte dem sportlichen Temperament des Motors mehr Spielraum gewährt werden. Ein neuartiges, elektronisch geregeltes, Servotronic genanntes Lenksystem verhilft ebenso zu höherer Fahrsicherheit wie eine »Automatische Stabilitätskontrolle« (ASC), die gedankenschnell die Motorleistung kurzfristig drosselt, sobald Sensoren melden, daß ein Antriebsrad durchdreht.

BMW hat seinem 7er zahlreiche »Welt-Neuheiten« eingebaut, so zum Beispiel:

▷ Scheibenwischer mit fünfstufig geregeltem Anpreßdruck je nach Geschwindigkeit - laut BMW »klare Sicht auch noch bei über Tempo 200«.

▷ neuartige Prallboxen, die bis zu einem Aufpralltempo von 16 km/h die Karosse abschirmen - laut BMW wurde der Wagen von den Versiche rungen daraufhin sogleich um zwei Schadensklassen niedriger eingestuft;

▷ eine »Komfortschließung«, die von außen zugleich mit den Wagentüren auch Schiebedach und Fenster schließt;

▷ »Bordstein-Automatik« heißt eine Parkhilfe, die bei Rückwärtsmanövern per Knopfdruck den rechten Seitenspiegel so weit absenkt, daß der Fahrer den Bordstein sehen kann.

»Nebenkriegsschauplatz« nannte Entwicklungschef Reitzle das Austüfteln eines bei BMW nun verfügbaren »sichersten aller Diebstahlschutzsysteme«. Jahrelang haben die BMW-Techniker geknackte Autos analysiert, sich bei italienischen Autoknackern Informationen beschafft. »An einem Nachmittag«, so Reitzle, »habe ich drei Wetten verloren, wobei es jedesmal darum ging, wie rasch einer ein Auto aufkriegt.«

Als Ergebnis aller Versuche hat BMW nun eine Sicherung, die dem Dieb nur noch erlaubt, ein Fenster einzuschlagen - die gesicherten Türen lassen sich gleichwohl nicht öffnen, so daß der Autoknacker das Fahrzeug nur durchs Fenster besteigen und verlassen könnte.

Getrieben von der Sorge, einzelne der neuen Hilfen und Systeme könnten infolge schlechter Kontakte versagen, entschlossen sich die BMW-Manager zu einer weiteren ungewöhnlichen Anstrengung. »Rätselhafte Ausfälle und eine schlechte Pannenstatistik, das war ja unser Problem oft genug gewesen«, bekannte ein Ingenieur. Flugzeugstecker zu verwenden, wie ursprünglich geplant, scheiterte am Preis: Sie kosteten 27 Mark je Stecker, und BMW brauchte 2000 Stück für jedes Auto.

Die BMW-Techniker entwickelten daher ihre eigenen Stecker. Wo es auf besonders innigen Kontakt ankam, ließen sie sogar die Steckfingerehen vergolden.

Künftighin wollen sich die Münchner aber doch an Praktiken aus dem Flugzeugbau anlehnen: Das Zwölfzylinder-Modell des 7er-BMW, im Juni 1987 auf dem Markt erwartet, soll wie bei Flugzeugen die meisten Systeme in doppelter Ausführung haben.

»Da haben wir die Ingenieure nicht gehindert, alles reinzutun, was gut und teuer ist«, verriet Entwickler Reitzle über Deutschlands einzigen Zwölfzylinder, für den BMW einen Grundpreis von 97000 Mark verlangen will. Das Triebwerk besitzt sogar zwei Lambdasonden und würde, bei einem Ausfall der Hälfte seiner Kapazität, »sogar mit sechs Zylindern noch über 200 fahren«.

Seine Höchstgeschwindigkeit wird nur vage mit »über 240« angegeben. Wie schnell er wirklich fahren kann, was er leistet, gab der Entwicklungschef nicht preis.

Reitzle: »Darauf warten sie nur in Untertürkheim, damit sie sich noch was einfallen lassen können.« Sie werden.

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Gegen 950 Mark Minderpreis liefert BMW die Fahrzeuge ohne Katalysator, mit auf 197 PS ("730i") und auf 220 PS ("735i") erhöhter Leistung.

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