Trauer um Fußball-Idol Jürgen Werner
Ehemaliger Nationalspieler und früherer Vizevorsitzender des HSV-Aufsichtsrates im Alter von 66 Jahren verstorben
Seine engsten Freunde wussten es, viele haben es geahnt. Nun ist es traurige Wahrheit geworden: Jürgen Werner ist gestern in seinem Haus in Wellingsbüttel im Alter von 66 Jahren an einem unheilbaren Krebsleiden gestorben. Mit Werner hat der deutsche und europäische Fußball einen seiner klügsten Köpfe verloren. Vor allem der HSV wird lernen müssen, mit diesem großen Verlust zu leben.
Werner war auch ein großartiger Fußballspieler. An der Seite Uwe Seelers wurde er mit dem HSV Deutscher Meister (1960), spielte vier Mal für Deutschland und schoss beim 1:2 im Mai 1963 in Hamburg gegen Brasilien als einer der Gegenspieler des großen Pele sogar das deutsche Tor. Doch dann folgte ein abrupter Rückzug bereits im Alter von 28 Jahren, für den es viele Gründe gab.
Da war die Einführung der Bundesliga mit all ihren unberechenbaren Unebenheiten des Profitums. Und Jürgen Werner gab in jenen Tagen zu verstehen, dass Fußball als Broterwerb nicht seine Sache sei. Da war - damals schon - ein schmerzhaftes Hüftleiden, das mit dem Beruf eines Profifußballers nur schwer zu vereinbaren war. Vor allem aber gab es das Berufsziel des begeisterten Pädagogen, der erst seine Schüler fit für das Leben machte und später als Oberstudiendirektor wiederum den jungen Lehrern den richtigen Umgang mit der Jugend beibrachte.
Doch nie ließ er die Geschicke des HSV aus den Augen. Diese wunderbare Fähigkeit des zielgerichteten Umgangs mit jungen Menschen befähigte Werner nämlich auch für ein weiteres wichtiges Amt innerhalb des HSV. Er wurde Sachwalter der Paul-Hauenschild-Stiftung, die sich auf dem Gelände Ochsenzoll vor allem der Jugendförderung verschrieben hatte. Da Paul Hauenschild ein reicher Mann war und dem HSV ein gewaltiges (Immobilien-)Vermögen hinterlassen hatte, musste sich Werner stets heftiger Versuche seitens diverser HSV-Vorstände erwehren, die aus regelmäßiger Geldnot stets das Paul-Hauenschild-Vermögen zu versilbern gedachten.
Veto! Nicht mit Werner, der auch beim DFB über glänzende Kontakte verfügte. Jedenfalls konnte er sich dem Wunsch des damaligen Präsidenten Hermann Neuberger nicht entziehen, wurde Spielausschuss-Vorsitzender, die oberste sportliche Instanz des größten Sportfachverbandes der Welt. Als Deutschland 1990 in Italien Weltmeister wurde, bildeten Werner und Teamchef Franz Beckenbauer ein formidables Tandem.
Am Ende des Weges der DFB-Karriere stand das Ziel: Jürgen Werner, der große Fachmann mit dem nötigen Schuss Intelligenz, sollte Neuberger als DFB-Boss beerben. Doch die Dinge liefen anders. Neuberger starb viel zu früh und hatte seinem Favoriten als Nachfolger noch nicht genügend den Weg bereiten können. Für Werner ein Grund mehr, sich wieder der Probleme des HSV anzunehmen. Arbeit gab es nämlich genug: Die verkommende Stadion-Ruine am Volkspark, der verblasste Ruhm des HSV nach den strahlenden Meisterjahren Mitte der Achtziger. Das Kommen und Gehen diverser Vorstände und Trainer nach der Ära Dr. Wolfgang Klein, Günter Netzer, Ernst Happel.
Mit dem Antritt von Uwe Seeler als HSV-Präsident und dem Stadion-Neubau ist auch der Name Jürgen Werner als der Mann im Hintergrund extrem verbunden. Aber als der Ruf an ihn erging, auch die Geschäftsführung des HSV zu übernehmen, da lehnte er ebenso dankend ab, wie beim Versuch, ihn zum Vorsitzenden des Aufsichtsrates zu machen. Stattdessen gönnte er sich die Freude, als Delegierter der Europäischen Fußball-Union die Spiele der Champions-League zu beaufsichtigen. Und Jürgen Werner war stets ein gern gesuchter Berater, wenn es darum ging, Ärger von Hamburgs erstem Fußball-Verein fern zu halten, nur weil mal wieder viel Temperament auf zu wenig Kompetenz prallte. Als er vor eineinhalb Jahren von seinem Posten als Stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender zurücktrat, geschah dies sicherlich auch aus gesundheitlichen Gründen. Wohl aber auch aus der Sicht, dass er seine Aufgaben als Schadens-Begrenzer innerhalb des Vereins ohne die Aufsichtsrats-Position besser ausüben konnte.
Jedenfalls hat er dies mit seiner letzten großen Rede anlässlich des 65. Geburtstags von Uwe Seeeler im November 2001 eindrucksvoll bestätigt. Denn Seeler, nach zahlreichen Querelen der neuen HSV-Führung stark enttäuscht, ließ sich von seinem alten Freund und Mannschafts-Kameraden Jürgen sagen: "Uwe, mach deinen Frieden mit dem HSV." Für Werner selbst waren die letzten Jahre nicht leicht. Immer seltener sahen ihn seine Golf-Freunde auf der Anlage des GC Walddörfer. Und wenn er spielte, dann nur noch neun Löcher. Zu sehr hatte ihm die Krankheit bereits die Kraft geraubt. Als es besonders heftig wurde, da hat sich Jürgen Werner komplett zurückgezogen. Niemand, außer seiner Frau und seiner Tochter, sollte sehen, wie er sich auf seinen Tod vorzubereiten hatte.