Völlig verwirrt hüpften die Rotkehlchen umher. Die nachtaktiven Zugvögel wussten schlichtweg nicht mehr, wohin sie fliegen sollen. Normalerweise kann sich Erithacus rubecula auf seinen inneren Kompass verlassen: Über einen Sensor im Schnabel und lichtempfindliche Moleküle im Auge nehmen Rotkehlchen das Erdmagnetfeld war. Es leitet sie über hunderte Kilometer zu ihren Winterquartieren und Brutgebieten. Doch auf dem Campus der Uni Oldenburg, in den Versuchshütten jenes Biologen, der ihren Kompass einst mitaufspürte (Hein et al., 2011), versagte der siebte Sinn der Rotkehlchen.

"Wir waren verzweifelt", erzählt Henrik Mouritsen. In Dänemark hatten seine Experimente problemlos funktioniert. Dort hatten sich Rotkehlchen in ihren Käfigen stets orientieren können. In Oldenburg aber waren sie wirr. Drei Jahre versuchten Mouritsen und seine Arbeitsgruppe vergeblich, die zuvor erfolgreiche Forschung fortzusetzen. Nichts half, die ziellosen Vögel zu beruhigen, weder ausgewechseltes Futter noch zusätzliches Licht. Bis der Elektrophysiologe Nils-Lasse Schneider aus einer Laune heraus vorschlug, die Vogelhütten elektrisch mit Aluminiumplatten abzuschirmen. "Plötzlich funktionierte der innere Kompass der Vögel wieder ganz normal", sagt Mouritsen. "Völlig überraschend."

Per Zufall waren Mouritsen und seine Kollegen damit auf einen Effekt gestoßen, von dem Wissenschaftler bislang annahmen, er existiere nicht: Schwache elektromagnetische Felder wirken sich auf Lebewesen aus. Offenbar reicht ein kleines Rauschen im Mittelwellenbereich, um den Magnetsinn der Rotkehlchen auszuknipsen. Ein menschengemachtes Rauschen, denn rund um die Versuchshütten auf dem Uni-Campus finden sich Labore, Seminarräume und Hörsäle, in denen zahlreiche Elektrogeräte stehen. Ganz gleich ob Computer, Drucker, Beamer, Radio, Kaffeemaschine – "praktisch alles was einen Stecker hat, trägt zu einem elektromagnetischen Feld bei", sagt Mouritsen. Sie verursachen die typischen unsichtbaren und nicht zu spürenden Hintergrundstörungen in jeder Stadt.